Die Ursache für die chronische Darmentzündung Colitis ulcerosa ist noch nicht endgültig erforscht. Aber es ist wahrscheinlich eine Kombination von genetischen Faktoren, welche die Immunantwort steuern, und Umweltfaktoren, wie die Ernährung und die Bakterienflora im Darm.
Wie bereits im Artikel Ernährung bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa beschrieben, kann zu viel der Aminosäure Methionin in der Ernährung chronische Entzündungen, wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, fördern.
Vor kurzem bin ich auf ein interessantes Youtube-Video des Arztes und Veganers Dr. Michael Greger gestoßen, in dem er mehrere Studien bespricht, die erklären, warum zu viel Methionin bei Colitis ulcerosa so problematisch ist:
Methionin gehört, neben der Aminosäure Cystein, zu den schwefelhaltigen Aminosäuren – und der Schwefel dieser Aminosäuren wird von den Darmbakterien des Dickdarms zu Schwefelwasserstoff umgewandelt. Schwefelwasserstoff verhindert wiederum die Produktion der kurzkettigen Aminosäure Butyrat, die wichtig für eine gesunde Dickdarmschleimhaut ist.1
Kurzkettige Fettsäuren, vor allem Butyrat, versorgen die Epithelzellen des Dickdarms mit ca. 70% ihrer Energie, während die Epithelzellen des Dünndarms vorwiegend Glukose und die Aminosäure Glutamin als Energiequelle verwenden. Möglicherweise erklärt dieser Unterschied, warum die chronische Entzündung bei der Colitis ulcerosa auf den Dickdarm beschränkt ist.
Ein weiterer Hinweis für die Bedeutung der kurzkettigen Fettsäure Butyrat bei Colitis ulcerosa ist die Tatsache, dass die Oxidation von Butyrat zur Energiegewinnung sowohl bei einer aktiven, als auch bei einer inaktiven Colitis ulcerosa deutlich vermindert ist.
Dies war sogar dann der Fall, wenn die Darmschleimhaut bei einer Koloskopie mit bloßem Auge (makroskopisch) und bei der späteren feingeweblichen (histologischen) Untersuchung im Labor keine Auffälligkeiten zeigte.
Versuche mit Ratten und klinische Studien an Patienten mit Colitis ulcerosa bestätigen die Theorie, dass ein gestörter Stoffwechsel der kurzkettigen Fettsäuren die Entzündung im Dickdarm auslösen kann.
Roediger und Kollegen fanden heraus, dass Schwefelwasserstoff den Stoffwechsel von Butyrat hemmen kann. Es könnte also hilfreich für den Krankheitsverlauf sein die Entstehung von Schwefelwasserstoff im Dickdarm zu verhindern.
Schwefelwasserstoff, das Gas, welches bei Blähungen für den Geruch nach faulen Eiern verantwortlich ist, steht zudem im Verdacht für Rückfälle bei Colitis ulcerosa verantwortlich zu sein.2
Sollte man bei Colitis ulcerosa auf Milch verzichten?
Da Milch reich an schwefelhaltigen Aminosäuren ist, liegt der Verdacht nahe, dass ein Verzicht von Milch den Zustand von Colitis-Patienten verbessern könnte. Und obwohl es noch keine anerkannte Diät zur Therapie von Colitis ulcerosa gibt, konnte man tatsächlich zeigen, dass das Weglassen von Milch von Vorteil ist.3
Ein Patient hatte sogar einen Rückfall von blutigem Durchfall, nachdem man ihm nur acht Tropfen Milch am Vorabend in das Essen mischte.4
Schon 1942 vermutete man, dass Nahrungsmittelallergien die Ursache für die Darmentzündung Colitis ulcerosa sein könnten:5
Bei 50 Patienten mit schwerer Colitis, die damals im Long Island College Hospital über einen Zeitraum von 15 Jahren behandelt wurden, stellte sich heraus, dass bei 66 Prozent von ihnen eine Nahrungsmittelallergie eindeutig die Ursache für die Erkrankung war und diese Patienten konnten alle erfolgreich behandelt werden.
In 84 % der Fälle stellte sich Milch als das allergieauslösende Lebensmittel heraus und in fast 40 % war Milch der alleinige Übeltäter. Die Forscher waren der Meinung, dass in diesen Fällen die sofortige Entfernung von Milch und allen Milchprodukten aus der Ernährung häufig zu einer dramatischen Verbesserung der Symptome führen wird.
1961 wurden 5 Fallstudien von Colitis-Patienten veröffentlicht, bei denen zuvor das Weglassen von Milchprodukten zu einer deutlichen Verbesserung des klinischen Verlaufs der Krankheit geführt hatte.6
Nachdem man Milch wieder in die Ernährung dieser Patienten einführte, folgte bei allen von ihnen innerhalb kurzer Zeit ein Rückfall der Colitis. Laut der Autoren ist ein Zufall sehr unwahrscheinlich. Sie gingen davon aus, dass das Immunsystem der Patienten auf das Eiweiß in der Milch reagierte und so die Entzündung des Dickdarms ausgelöst hat.
Diese Erfahrungen führten dazu, dass man 1965 den therapeutischen Wert einer milchfreien Diät bei Colitis ulcerosa unter strengeren Bedingungen testete.7
Dabei befolgten 50 Patienten im Colitis-Schub für ein Jahr entweder eine milchfreie Diät (26) oder eine Kontroll-Diät (24), bei der Milch und Milchprodukte erlaubt waren.
Das Ergebnis war, dass die milchfreie Diät der Kontroll-Diät eindeutig überlegen war:
Während dem Versuchsjahr waren auf der milchfreien Diät doppelt so viele Patienten symptomfrei und weniger Patienten auf der milchfreien Diät bekamen einen Rückfall!
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass eine milchfreie Diät für einen bestimmten Teil der Patienten mit Colitis Ulcerosa von Vorteil ist. Ungefähr 20 % der Patienten mit Colitis Ulcerosa ging es mit einer milchfreien Diät gut.
Sollte man bei Colitis ulcerosa auf Fleisch verzichten?
Wie sieht es nun aus, wenn man nicht nur versucht auf Milchprodukte zu verzichten, sondern alle Lebensmittel mit schwefelhaltigen Aminosäuren reduziert?
Wie bereits erwähnt, könnte die übermäßige Produktion von Schwefelwasserstoff durch Bakterien im Dickdarm die Epithelzellen der Kolonschleimhaut schädigen und so zu Entzündung führen.
Da die Hauptquellen für Schwefel zur Fermentation durch Dickdarmbakterien die schwefelhaltigen Aminosäuren tierischer und pflanzlicher Herkunft sind, liegt es nahe diese zu reduzieren.
Und siehe da: Die Ergebnisse einer Pilotstudie waren vielversprechend.
Die reduzierte Aufnahme von Lebensmitteln mit schwefelhaltigen Aminosäuren (SAA) produzierte keinen schädlichen Effekt nach einer akuten Attacke einer Colitis und produzierte eine Verbesserung bei moderat schwerer Colitis ulcerosa.3
Die Effekte waren so dramatisch, dass die Forscher es nicht wagten den Teilnehmern wieder Lebensmittel mit schwefelhaltigen Aminosäuren, wie Fleisch, Milch, Eier und geschwefeltem Wein zu geben. Dies wäre aus ihrer Sicht unethisch gewesen, da es den Colitis-Patienten ohne Lebensmittel, die reich an schwefelhaltigen Aminosäuren sind, deutlich besser ging.
Eine deutlich größere Studie aus dem Jahr 2004 erfasste das Ernährungsverhalten von 191 Patienten mit Colitis ulcerosa in Remission über ein Jahr hinweg.8
Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass ein hoher Fleisch- und Alkoholkonsum mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls bei Colitis-Patienten in Verbindung steht.
Die Verbindung von hoher Fleisch-, Protein- und Alkoholaufnahme und höherem Rückfallrisiko könnte ihrer Meinung nach daran liegen, dass diese Lebensmittel reiche Quellen an Schwefel und Sulfat sind, die die Konzentration von fäkalem Schwefelwasserstoff erhöhen, welcher giftig für die Kolonozyten im Dickdarm ist.
Wie bereits erwähnt, behindert der Schwefelwasserstoff die Umwandlung von Ballaststoffen zu dem nützlichen Stoff Butyrat durch die Darmbakterien.
Die Frage ist nun: Wie kann man die fäkalen Butyrat-Level erhöhen?
Da man bereits nachweisen konnte, dass bei Colitis-Patienten Einläufe mit Butyrat helfen, untersuchte man in einer Studie von 2003, ob man die Butyrat-Level auch natürlich durch das Essen von mehr Ballaststoffen erhöhen kann.9
Dazu gab man 22 Colitis-Patienten in Remission 60 Gramm Haferkleie (= 20 Gramm Ballaststoffe) pro Tag für 3 Monate.
Und auch hier waren die Ergebnisse positiv:
Schon nach 4 Wochen stieg die fäkale Butyrat-Konzentration bei der Haferkleie-Gruppe um 36 % und blieb bis zum Ende der Pilotstudie auf diesem Niveau. Keiner der Patienten hatte einen Rückfall und im Gegensatz zur Kontrollgruppe hatten sie keinen Anstieg bei gastrointestinalen Beschwerden.
Aufgrund der bisherigen Studie kommt ein aktueller Übersichtsartikel aus dem Jahre 2013 zu dem Schluss, dass es sinnvoll ist bei Colitis ulcerosa wenig Fleisch – insbesondere rotes und verarbeitetes Fleisch – zu essen. D.h. Fleisch sollte nicht mehr als 1x pro Woche gegessen werden.10
Hilft eine vegane Ernährung bei Colitis ulcerosa?
Wenn man sich vor Augen führt, dass pflanzliche Nahrungsmittel generell deutlich weniger Methionin enthalten als tierische Produkte, kann es bei Colitis ulcerosa durchaus Sinn machen vollständig auf tierische Produkte zu verzichten oder zumindest tierische Produkte mit wenig Methionin zu essen (z.B. eine Brühe aus Rinderknochen).
In der folgenden Grafik siehst Du den Methioningehalt verschiedener pflanzlicher und tierischer Nahrungsmittel, die ich aus einem Video von Dr. Michael Greger übernommen habe.
Wie Du siehst, haben die rot markierten, tierischen Lebensmittel ein Vielfaches an Methionin, im Vergleich zu den pflanzlichen Lebensmitteln.
Für mich ist das zumindest Grund genug meinen Fleisch- und Milchkonsum stark einzuschränken.
Ich habe deshalb Kuhmilch durch pflanzliche Mandel- u. Hafermilch ersetzt und esse nur noch 1x pro Woche Fisch, Fleisch oder Milchprodukte.
Ich esse also die meiste Zeit über vegan, wie bei der semi-vegetarischen Ernährung, die so großartige Erfolge bei der Verhinderung von Rückfällen bei Morbus Crohn hatte.
Quellen:
- 1 Pitcher M C, Cummings J H, Hydrogen sulphide: a bacterial toxin in ulcerative colitis?, Gut, Juli 1996, (Schwefelwasserstoff: ein bakterielles Gift bei Colitis ulcerosa?)
- 2 Tilg H, Kaser A, Diet and relapsing ulcerative colitis: take off the meat?, Gut, Oktober 2004, (Ernährung und Rückfall von Colitis ulcerosa: Das Fleisch weglassen?)
- 3 Roediger WEW, Decreased sulphur aminoacid intake in ulcerative colitis, The Lancet, Mai 1998, (Verringerte Aufnahme von schwefelhaltigen Aminosäuren bei Colitis ulcerosa)
- 4 Albert H. Rowe, Chronic ulcerative colitis – allergy in its etiology, Ann Intern Med., Juli 1942, (Chronische Colitis ulcerosa – Allergie als Krankheitsursache)
- 5 Andresen A, Ulcerative colitis — an allergic phenomenon, The American Journal of Digestive Diseases, März 1942, (Colitis ulcerosa – ein allergisches Phänomen)
- 6 Truelove S C, Ulcerative Colitis Provoked by Milk, Br Med J., Januar 1961, (Colitis ulcerosa durch Milch ausgelöst)
- 7 Wright R, Truelove S C, A Controlled Therapeutic Trial of Various Diets in Ulcerative Colitis, Br Med J., Juli 1965, (Eine kontrollierte therapeutische Studie verschiedener Diäten bei Colitis ulcerosa)
- 8 Jowet S L, Seal C J, et al., Influence of dietary factors on the clinical course of ulcerative colitis: a prospective cohort study, Gut, Oktober 2004, (Einfluss diätischer Faktoren auf den klinischen Verlauf der Colitis ulcerosa: eine prospektive Beobachtungsstudie)
- 9 Hallert C, Björck I, et al., Increasing fecal butyrate in ulcerative colitis patients by diet: controlled pilot study., Inflamm Bowel Dis, März 2003, (Erhöhung des fäkalen Butyrat bei Colitis ulcerosa-Patienten durch Ernährung: eine kontrollierte Pilotstudie)
- 10 Richman E, Rhodes J M, Evidence-Based Dietary Advice for Patients With Inflammatory Bowel Disease, Aliment Pharmacol Ther., 2013, (Evidenzbasierte Ernährungsempfehlungen für Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen)
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